Heute: Häutung und Hauptprobleme

ausführliches Interview mit Julia Abstädt

Meise: Hallo Julia! Wir haben Dich ja lange nicht gesehen, hier in Würzburg, das letzte Mal bei der Adolf Snook Eröffnung in der internationalen Nationalgalerie drüben. Hattest Du Dir damals seine Bilder bei Schnitzel-Reisen angesehen, dort wo Charly und die Girls ausgecheckt werden?

Julia: Yeah, wir warten unten auf die Fans und sind gespannt wie Flitzebögen, ob welche hier auftauchen. Alle Bilder sind seine und auch meine schönen, eigenen Abbilder ohne Probleme. Ich checke seine Ware, aber nix geht ab. Null Info, null Feelings. Polen für Reiche, kostet aber wohl gar nicht so viel, habe ich gehört.

Meise: Du warst auch in Mailand auf der Biennale mit einer großen, experimentellen Installation vertreten, aber offentsichtlich selber reinkuratiert. 50 oder 60 Readymades hast Du da gezeigt. Wir haben gehört, dass keiner diese Dinger verstanden hat.

Julia: Yeah, was soll´s. Wahrscheinlich weil´s wieder meine doppelten Readymades waren, und alle seit längerem nur einfache Readymades erkennen wollen und nur noch erkennen können, durch ihre Strahlenschutz-Brillos von Ray Ban hindurch oder so. Da haben die sich aber in die eigenen Hände reingeschnitten, alles nur verdrehtes Posing mit 50 Jahre alten Erkenntnissen aus USA drüben. Yeah, man kann meine Dinger auch nicht so einfach verstehen, und das ist halt auch der knackende Punkt in meinem konkreten Style geworden. Die Dinger sind so krass mittlerweile, daß das, was man daran eigentlich mal verstehen konnte, schnell unverständlich, nicht mehr erkennbar wird. Der ganze Charakter geht flöten, und alles daran wird für die anderen uncool und nicht einsortierbar in die Regale auf die normale Augenhöhe, dort wo das Zeugs lange rumgestanden, also selber rumgepost hat.

Meise: Wenn man die Augen n´ bisschen zukneift und mal beiseite lässt, wie lange der Snook an seinen alten Dingern hat schleifen, blasen, polieren und putzen lassen, könnte man ja meinen, seine balloonartigen Hot-Dogs, Geburtstagsscherzchen und aufgespulten Gumminudeln wär´n auch solche Readymades...

Julia: ...oder neue Trendskulpturen ohne Konturen. Sie sind´s aber noch nicht mal, geschweige denn sind sie doppelt oder ohne Regal, so wie meine. Der Snook kommt ziemlich überheblich daher, aber er ist kein toller Nachrichtensprecher...

Meise: Nee, ein Nachrichtensprecher, das bist doch Du für viele Menschen gewesen. Seine Message ist übel geschmiert, Deine ist blank, aber deswegen auch einsam. Wir haben lange mit Snook diskutiert, und wir mögen ihn immer noch, er ist und bleibt unser amerikanischer Freund, so wie alle Amerikaner, aber er nervt jetzt schon zahlreiche nachgerückte Generationen extrem mit seinem Rumgefummel an Quietsche-Entchen. Heiliger Bimmbamm, der flinke Jamie Rose hatte sich doch schon in diesen festgelegten Kindergarten verirrt, dann aber die schwülen Waffen gestreckt, weil die waren nämlich nicht geladen.

Julia: Der hat hauptsächlich mit Messern rumgemacht, der Schlitzer, mit Sägen auch, und dann hatte das Fleisch der lebendigen Dinge doch den längeren Atem. Und als der Snook 30 Jahre später mit seinen Models reinschneite, kam der Jamie nochmal unglaublich in Fahrt und hat sogar die Motorsäge angeschmissen...

Meise: Snook denkt aber auch, er steht über den Dingen und verwaltet die Dinge, die gemacht worden sind, und von ihm als ausdrückliche Proklamation ohne Verdopplung nun wieder gemacht werden dürfen, als ob halt nix gewesen wäre oder so.

Julia: Das wär´ soweit... tja, man könnte es sich ja weiter anschauen, warum nicht? Aber es ist mittlerweile ganz schön ... nostalgisch... nostalgisch und ausgesondert wie Museumsmobiliar oder belegte Baguettes (für Zig-Millionen)... es hängt einfach nicht mehr so leuchtend in der Luft, in der Luft unserer neuen Zeit, da, wo seine Dinger mal aufgegangen waren und als Abgesang auf ein verordnetes Festtagsgefühl alles in der Schwebe hielten: die polierten Rückspiegel, innen und außen, wo hochhauswertige Gewerbeflächen wie bayrische Obdachlose an der Ecke unten rumlungern und ein riesiges Kontaktbüroschild raushängen, (gerade aus dem Baugerüst geschält und schon bedürftig), dazu der ewige Sonntagnachmittag mit seiner zerstreuten Menschenmenge, so blöd vereinzelt oder ordentlich und peilungslos im leichten Wind und ein Kind, das schreit, weil sein blaues Häschen fliegt, hier und da Geräusche von Attraktionen und das Geklimper an der Fahnenstange und jemand klopft an eine verschollene Stahltür, um nach der genauen Uhrzeit zu fragen, und das Glas schluckt den Klang wie Gummi... die Nadel und der Knall, Manhattan Transfer: Architekturprobleme zur Hauptsendezeit.

Meise: Nun haben wir ja ein, zwei langweilige Epochen und geplatzte Kaugummiblasen hinter uns; so lange ist das schon zu sehen gewesen und auch Herr Anselm Kiefer persönlich hat seine Plastikhauben mit dem Brillentuch geputzt, aber nicht sauber genug, um ein wenig im selben Stall mitzuplatzen...

Julia: Yeah, und Snook meint ja wohl, wenn er dann auch noch „Barock“ oder „Biedermeier“ in die Hallen der Zaunkönige ruft und sein eigenes Echo „tock tock“ schön weiterstolziert, es hätte alles seine Richtigkeit: Wow! „Barock“, Europa! Theorie! Neue Jogginghose! „Oh! Und noch eine Mozartkugel ohne Schuß bitte!“ Da wird dann auch vom Linguismis des allabendlichen Protokolls mit allen verfügbaren Lappen geputzt, unschleifbar geschliffen und rumgeschnuppert am Genuss: eine komplette Werkgruppe, eine verdammte, unglaublich umfangreich komplett gemachte Werkfamilie, aber schon verkauft oder selber seinen Tisch reserviert! (Lacht laut los:) Fehlt doch nur noch ein geplatzter Phallus vom Paule, dem rosaroten Panther, ein gigantischer inflatable fallus flatus, Hallengerüst, dreidimensional, Ausflugsziel, um Gottes Willen, ein neues Kuscheltier!

Meise: Was ist denn das?

Julia: Ok, das Ding ist jetzt eigentlich schon vor 40 Jahren geplatzt, Mailänder Domplatz, Monsieur Tingeltangel und fetter Vittoria-Turm, aber... wär´ vielleicht angebracht, auch diesen Moment noch mal aufblasen zu lassen, Heldenplatz-gerecht als Zeppelin-Event, von McDonald´s nachgeformt. Idealerweise in Cally, da auf dem Hügel im Luftschloß-Center, weiß auf weiß, in der beheizten Luft auf der Ausflugsterasse. Man muß sein Auto abstellen und in einen Lift steigen als ginge es zur Mickey-Mouse-Mall nach Anaheim rauf. „Weiß gepudertes Engelsgesicht“ ist der Dresscode für alle geladenen Gäste, und zur Begrüßung spricht die Architektur in Trance: „We are now arriving. Please, respect the signs of our today working team kindly“, am Himmelsfenster Wolken aus Watte, die jeder vorsichtig anpusten kann. Nahezu lautlos im Verborgenen lassen Kompressoren, leiser und leiser, einen Ballon zu seiner vollen Größe anschwellen, die glanzvoll dünnste Spannung, faltenfrei und makellos geliftet, und die weißen Gesichter treten näher, hundert oder zweihundert, und schließlich ein allgemeines Staunen und Schweigen, so still, dass Du das glitzernde Geräusch einer Nadel hörst, die fällt und dann – phhhhiieeh – pfeift das pralle Ding seine sauerstoffreiche Luft wieder auf den Platz hinaus und sackt in sich zusammen und alle öffnen den Mund zum Gesang, einen leichten Wind an der Haut, und die Engelstimmen singen vom Band: „I would love to be a pornstar if it wasn´t so much about sex, Deutschland, Deutschland, über alles!“

Meise: Apropos, wo wir grad bei den Krankenhäusern auf den Hills oben sind. Wir haben von dieser Elysian Gallery grad den neuen Cally zum Einfahren reinbekommen, Sitzbänke im schwarzen Leinenbezug, Label in metallisch glänzender Prägung. Kennst Du das Modell schon?

Julia: Ja, aber ich fahr nicht im Stehen, kein Interesse. Genau genommen ist das so einer von diesen neuen pädagogisch wertvollen Hybrids. Der Johann Jasper hat den Grundschnitt angelegt, das ist ja auch schon was her, halbes Jahrhundert schätzungsweise, und das Übrige ist dann aus Paris und Umgebung, also noch älter, nun aber alles schön flächenintensiv gemacht, exklusiv kaputt und mit Einklemmungsgarantie aufgezogen, auch mal ´n bisschen fies und SM-fühlig, aber immer so, dass Mama und Papa nicht böse werden und´s Geschimpfe wieder von vorne anfängt. Der Zündstoff soll vielleicht sein: informiert ausgeführter FSK-Liebesfilm, oh dear, aber die Lunte ist nass, volle Reihen for nottin, bodylanguage zero to zero. Lets take our leaf and show the gender, oldy. So isses eben: wenn man alle seine Visionen an die bösen Vorbilder abgibt und nur mit brav einstudiertem Sinn für die Schuld im eigenen Leib weiterspielt... tja, dann geht´s in Leichenschauhaus des Lebendigen. Self-fullfilling Unterwerfung. Also wenn schon, denn schon... denn immerhin, geplatzt ist nun schon so einiges, was vorher zerschnippelt wurde, in Karomuster und Auftragsbenzin, genau wie die vielen Schwarzwälder Schinken in Serie, die neuen Schinken von Snook jetzt, die er mit seinem freundlichen Smile über die kalte Schulter hinweg betrachtet, aber sehr kollegial mit den anderen kalten Füchsen Christian Wolle oder Adolf Benziner, rausgegeben hat.

Meise: Wir haben mit Roy Luxemburg lange gesprochen, was das soll. Unser ewig gültiges Blickregime sagt nix Gutes da drüber. Kein gläsernes Herz, keine knisternde Eisblume, keine Resonanz im Unmittelbaren! (ich schätze mal, er ist beim Fahren eingenickt)

Julia: Ich schätze mal, er ist beim Fahren eingenickt. Yeah, s´gibt wohl auch schlimmere Probleme auf der Welt, zum Bleistift Krieg und so.
Trotzdem müssen wir diese Dinger quer diskutieren, weils um die ganze lange Story geht, nicht um wenige Jahrzehnte, so wie Wolle, Benziner oder Snook denken, oder wie die Kumpels alle heißen, ich kann mir die Namen immer nicht merken, ich bin eine Frau. Na, die wollen doch nicht blicken, daß die Products, Images und Emotions selber ihr großes Reich errichtet haben, von wo aus sie senden und weitersenden werden, Peace und Leben und so. Nicht andersrum. Wir errichten nicht ein kurzfristiges Reich und stellen dann die ganzen Products nur da rein.
Wir machen auch nicht auf: „Ich wollte ja gar nicht.“ (die schöne Masche: kein Erfolg gehabt haben wollen, damit niemand sagen kann: „Hat´s versucht, ist bloß gescheitert, und alles war falsch.“

Meise: Der Zufall fragt weiter: Kann es sein, dass die Irrtümer sich am Boden der Irrtümer dann doch sammeln und zu sprechen beginnen? Wir sehen jedenfalls, dass nicht nur Snook abrutscht auf seiner von ihm selbst als Bauklötze aufgetürmten Sache namens frische Hemden oder zu kleiner Mindestlohn.

Julia: Gott soll uns und Snook aber verschonen. Wir haben es verdient, weiter bedient zu werden, so wie vorher. Wir brauchen die Unterstützung Gottes für unser Ding. Er kommt schlecht weg, OK. Aber zum Bleistift Frank Speck war schon immer nicht mehr OK. Viel Homokunst kommt jetzt wieder schlecht weg, und zwar wegen dem Thema, siehe Farin Jardin, fast sein Namensvetter. Aber für diese Themen sind wir zu jung, denn wir wissen nichts davon, und wir wollen nicht unsere reinen Visionen verlieren, die wir haben schützen können vor den bösen Botschaften, die per Post oder E-mail hier immer wieder reingeschneit sind, Yeah. So wie die anderen alten Postkarten, Briefe und Flugblätter, die Lord Wink verschickt hat.
Der ganze Zeitraum hat lange genug gedauert und man schafft es nur bis ca. 1816/17.
Das ist schade, aber so schnell wird halt gedacht, um schneller dabei gewesen zu sein, wahrscheinlich wegen der echten Karriere oder so! Ich bin ja eigentlich nur zum Fun dabei!
Mit Ulli ist es für mich immer extrem cool gelaufen, sein Gespür und sein mildes Mitgefühl haben auch meine verbogene Sache zur Sache vieler anderer machen können. Mit Wink bin ich fett – er ist saucool und hat noch keinem Bild die kalte Schulter gezeigt – im Gegenteil, er glaubt gar nicht daran und läßt sich nicht von Snook, Benziner oder Wolle auf ihre silbernen Schippen nehmen, er bleibt cool, er merkt, wenn was heiß wird, und das will er zuguterletzt dann haben.

Meise: Aber ist doch auch komisch: da stehen die nun rum in der Belle Etage und sagen uns: Nichts geht mehr, Wand ist Wand und kein Licht nicht von der anderen Seite und machen es noch mal dicht.

Julia: Vor allem machen sie es platt, zur Platitude: Fläche, Körper, Bauch, dieser ganze taube Kitsch, und auch noch vorgeführt am eigenen Beispiel, und dann soll´s natürlich doch was Besonderes sein. Wo du auch hinguckst, alle fahren sie das Ding: ran an die Leinwand, Beweise liefern in der eigenen Haut, irgend so ein glaubwürdig gefühlsecht hochgefahrenes Ich-schieb-ne-ganz-besondere-Nummer, Pfadfinder, Lederhose, Gummiband. Jack the Ripper is back, und wer es nicht kapiert: „Hier ist mein Blut! Ich schmier, ich schmier!“ Und dann sind die heißen Sachen doch nur aufgerollte Plastiktüten – oder eben gleich: das kalte Fleisch für Messerwerfer ohne Messer, wo keine Klinge dran ist, das macht Farin jetzt auch.

Meise: Gibt es für Dich das Wesen des Kunstwerks, welches zu Dir, also zu uns, in einer Art und Weise spricht, die nicht aus einer Ansprache des Betrachters an das Werk heraus resultiert, sondern aus einer Art Antwort, die das Werk zu geben im Stande ist, ohne danach gefragt worden zu sein? Oder sind diese Antworten unhörbar, das heißt unsichtbar? Also was sehen wir eigentlich? Wer sieht es und warum? Was für eine dann doch so vertraute Sendung ist das, die wir empfangen?

Julia (hebt den Arm, lacht und winkt den Leuten auf dem Platz zu): Sind doch viele gekommen. Bestens! Da schauen wir doch jetzt gleich in die neue Epoche hinüber. Ok, zurück zu eurer Frage. Ja, da gibt´s doch keinen Zweifel: Ich halt´s mit den Ethnologen, die wussten, wo die Strukturen auf die Straße gehen, oder besser, wohin und wie. Sie holten es aus dem Magnetfeld der langsamen Unterhaltungsmusik hervor. Ich les mal von meinen Notizen ab; solche Sätze schreib ich mir immer auf: „Die Absicht des Komponisten aktualisiert sich durch den Zuhörer hindurch und mit ihm. Es lässt sich in der Tat eine Umkehrung der Beziehung zwischen Sender und Empfänger beobachten, da es letztlich der zweite ist, der sich durch die Botschaft des ersteren bezeichnet sieht: die Musik lebt sich in mir, ich höre mich durch sie.“ Zugegeben: könnte leicht in umgekehrter Richtung „zufallen“, diese Tür, und dann „spricht“ oder „spielt“ nichts mehr... ist ja auch schon passiert, mit den bekannten Folgen, aber die hat man hernach schön extra verpackt und verbuddelt, damit wir nicht durch diese Vergangenheit in die Gegenwart sehen. Denn im täglichen Betrieb unserer Tage wird es weiter ziemlich automatisch, gut verkocht und mit FDP überall betrieben: das Besser-Nicht-Hören; an nichts anderem wird so zuverlässig gearbeitet und mit Vorsatz und mit der falschen Behauptung, es ginge doch genau darum, alles rauszuholen aus der Sache. Pustekuchen, das Gegenteil ist wahr. (denkt nach, und denkt dann laut nach:...) Aber wir wissen und spüren es trotzdem und auch für uns im Guten: „Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen.“ Und sie ist da, antwortet, spricht weiter und antwortet immer noch, mit Antworten, die unser Zuhören und unser Fragen weiter bringen, forschend und gespannt, aber ebenso unvoreingenommen, wie das absichtslose Streifen des Blicks durch einen Gedanken, Anflug einer Erinnerung, am Zaun entlang, übers Gras hinweg, ein Schwimmbecken, moosgrüne Kacheln, Seerosenblätter, Mücken, die im Staubfilm auf dem Wasser treiben, im ruhigen Bogen rückwärts ziehen, wie ein Bild, das langsam zum Stehen kommt, auf dem viereckig ausgebreiteten Teich, ein Pool... und da bist Du hineingefallen, hast die Augen aufgerissen, hast ins Wasser hineingesehen, das fern von Dir im Dunkeln blieb... aber das war es nicht, es war noch etwas anderes... und so gehst Du den ganzen Weg noch einmal, die Luft, die Geräusche kommen hinzu, dass da keine Steine fliegen, kein überdrehtes Kreischen ist, nein, es ist ein ganz gleichmäßig gehaltenes Licht in der Luft, und noch einmal zieht es sich auf seinem blauen Hintergrund zusammen, und noch einmal fällst Du hinein, mit deinem hellen Blick, aus sehr heiterem Himmel ins andere Element.

Meise: Ja, wir wollen an die Natur noch einmal appellieren, daß sie uns und unsere technischen Visionen, die wir an sie gerichtet haben, empfangen möge und später zurück sendet in Form von ganz naturhaften, überwältigenden Erscheinungen – also, daß sie uns eigentlich erst dann die wirklich maschinelle Erfahrung bereitstellt, die wir aufschlüsseln und weiterleiten werden als das noch unlesbare, eigentliche Zeichen dieser Natur. Diese Kopplung ist es wohl, an der unsere offenen Herzen und unsere unmittelbaren Stimmungen aufgehen können in einem negativen, dem nur faktischen, real-existierenden Leben entnommenen Gleichklang jener unaussprechbaren, aber ewig andauernden, wirklichen Konversation, die bis auf Abruf geführt wird.

Julia: Auf Abruf heißt hier aber nicht, daß sie einlösbar werden wird, also letztendlich verstanden wird, im Sinne von Kommunikation oder Information, sondern, daß sie eigentlich erst dann richtig anfängt.

Meise: Dieser so schön aufgefächerte und radikal entwertete Platz ist es, auf dem wir empfindsam alle Möglichkeiten der kommenden Existenz vor uns klar sehen werden. Diese Möglichkeiten waren auf sehr natürliche Weise auf dieser Fläche schon immer stark verschränkt mit dem herrlichen, mehrdimensionalen, aber sehr tödlichen Bereich, der keiner Natur mehr entspricht, in dem wir dann aber leben möchten. Dieser Bereich ist nicht verortet außerhalb davon, was wir als Grenzen vor uns liegend haben akzeptieren müssen, er befindet sich schon lange inmitten unter uns, also ist vital innerhalb, nicht außerhalb, und ist bereits doppelt, also kreiert oder schon vollendet, weil es wohl seinem Wesen entspricht, eine Kreatur zu sein oder aber ein unbekannter Apparat, oder beides, auf keinen Fall aber nur ein Raum. Es liegt an den Menschen, dieser Botschaft immer dann und immer dort zu lauschen, wo sie nicht vorgibt, laut ausgesprochen werden zu können und sonst also nur so vor sich hin tönen würde. Es versteht sich von selbst, wir sprechen hier nicht von einem akustischen oder optischen Ereignis, welches aufgezeichnet, etabliert oder wiederholt werden kann. Wiederholt vor allem deswegen nicht, weil seine doppelte Erscheinung dem Wesen nach bereits wiederholt ist und somit nicht nachgewiesen werden kann oder nicht nachgewiesen werden soll. Trotzdem entspricht diese Welt, die wir herbeisehnen, auch einer beinahe reinen ästhetischen Begegnung ohne Dauer, also jenem zeit-losen Moment zwischen kognitiven Sequenzen denen wir unterliegen, in dem Kunst wirksam wird wie in einem Traum.

Julia: Es geht in diesem Sinne auch um die Schönheit, Schönheit, hingelegt mit unserem Blick und mit beidem, der Natur und der Technik, und mit noch mehr, liegend und in der Lage unseren Blick zu sich zu ziehen und wiederzugeben. An dieser extremen Wirksamkeit als auch übrigens an dem Begriff Kunst selbst, ein herrlicher Begriff, von dem man sich aber kein Bild machen soll, wollen wir ehrlich festhalten und ihn verteidigen, so gut wir können. Ich bin ein Vogel und ich zwitschere.