Es löst sich nichts auf ohne

Hank: Niklas, Niklas, das sind ja alles schöne Geschichten, viele Grüsse übrigens.

Niklas: Ja, danke, unter schönen Geschichten verstehe zwar etwas anderes, aber grüß herzlich zurück. Und jetzt zum Gegenstand.
Hank, wir haben für’s „dare“-Magazine acht Bilder von Dir ausgewählt:
Ein paar davon sind schon etwas älter, ein paar davon ganz frisch. Wie lang malst Du jetzt schon diese Sorte Bilder?

Hank: Wenn jemand die Antwort kennt, dann bist es schließlich Du selbst. Wir sind seit unserem dritten Lebensjahr Buddies und Du hast meine Malerei seit ihrem Anbeginn mehr als nur mitverfolgt, nicht wahr. Ich meine, also was soll ich Dir denn noch erzählen?

Niklas: Reiß Dich zusammen, ich reiß mich auch zusammen. Pass auf, ich hab einen Reim:
Liabe Leit, jetzt schaut’s gschwind her:
Acht Bilder zähl’n wir hier,
Im Hochglanz-Magazine „dare“,
Acht Bilder, anstatt vier.

Liebe Isa, Katrin und Lena,
Dichterisch stellt der Titel Eures Magazines eine schwierige Aufgabe:
Ich hatte ihn bisher immer englisch ausgesprochen, dies hat dann ja auch zu dem Reim "dare - her" beflügelt.
Nun hat uns eine Aalmutter darauf aufmerksam gemacht, dass der Titel wohl sonst meist lateinisch ausgesprochen wird. Sie, eine Aalmutter, konnte Eure Radio-Sendung auf der Webseite problemlos hören, bei mir fehlt da halt immer was, so auch bei der Video-Message vom Noggersen aus der Tate Modern. Als das Runtergelade von Shitplugs und dergleichen, aber ihr werdet schon wissen, was ihr da macht, ihr werdet es schon wissen, wohin das alles noch führen wird, meine Lieben.

Zurück zum Vers:
Anstatt des oben stehenden Reims sollte es also vielleicht besser heißen
Mit Trompete und Fanfare
Spuit a oida Musketier:
Gedruckt im Magazine "dare"
Acht Bilder, anstatt vier.

Hank: Das ist alles richtig so, man darf sich diesen Überlegungen nicht verschließen, aber wir bleiben beim ersten Vers, Niklas, wir bleiben beim ersten Vers, weil man im Leben Positionen beziehen muss. Wir sagen „dare“ (englisch).

Niklas: ...acht Bilder, anstatt vier.

Hank: Du hast recht. Vielleicht hätten vier gereicht.

Niklas: Nein, so meinte ich das gar nicht mal, ich find die Auswahl ganz gut. Ich mag das Max-Beckmann-Bild. Ich finde es einerseits so als Bild klasse, und andererseits kann man in dem Beckmann-Bild ganz gut Deine malerische Herangehensweise nachvollziehen.

Hank: Kann man. Das ist die Beckmann-Sendung aus dieser amerikanischen Video-Reihe. Sehr kompakt, 25 Minuten, und relativ konzentriert auf dem Max Beckmann sein „Departure“-Triptychon: man sieht ja bei mir auch z. B. die Krone, wie sie da aus der Bildmitte sich nach rechts hin in einem hohen Bogen auflöst, das kommt ja direkt von dem Video, ist klar. Da hast Du recht, an der Krone kann man schön nachvollziehen was so ein Video leisten kann.

Niklas: Die Krone, die Krone:
Es löst sich auf die Krone.
Dies leistet nur das Video,
Es löst sich nichts auf ohne.
Aber ich bin auch recht zufrieden damit, dass wir drei von Deinen Magritten ausgewählt haben, das ist alles die „Monsieur René Magritte“-DVD, nicht wahr?

Hank: Ja, alles. Da hätten wir ganz schön zur Auswahl gehabt, ich hab doch so viele Magritte-DVDs, ich hab die „Monsieur Magritte DVD“, dann die „René Magritte: Artists of the 20th Century“ und die „Magritte: An attempt at the impossible“. Und die hab ich ja auch alle gemalt, aber die „attempt“-Dingens ist krass.

Niklas: Cool.

Hank: Ja, find ich auch. Ich bin sehr zufrieden damit, dass die Mädchen gern auch den „Münchner im Himmel“ mit im Heft haben möchten, das wär uns selbst ja nicht eingefallen, weil wir den Schwerpunkt auf meine gemalten Maler-Biografien legen wollten, nicht wahr.

Niklas: Ja. Wahr. Dein „Münchner im Himmel“ fällt da ein wenig raus. Das ist eine Koloration für den gleichnamigen Film (Walter und Traudl Reiner, 1962).

Hank: Ja, klar, Niklas, wo wir über mein „Münchner im Himmel“-Bild sprechen, fällt mir der Fedi ein. Den vermiss ich grad: Mit seiner ganzen geistigen Wendigkeit. Den Fedi bräuchten wir, der Fedi ist ein fähiger Mann.

Jeden der zwanzig Tage in LA fiel mein erster Blick am Morgen auf die großformatige Leinwand neben meinem Schlaflager: „Ein Münchner im Himmel“. Den Titel hätte ich niemals erraten. Ich glaubte in dem abstrakten Wirrwarr im Halbdunkel immer eine Weltkarte der Munitions- und Waffenlager samt Lieferantenrouten zu erkennen. Aber Hank führte mir darin Wolken und Bierkrüge und rings durch den Raum seine anderen Bilder vor, ganz fresh das blaue Poolposter von David Hockney. Noch blauer übermalt bildete es ein löschendes Element für die Gruppenausstellung „LA is on Fire“...
(Auszug aus: Federico Sanchez: SATORI IN LA, in-münchen 7/2008)

Niklas: Ja. Der Fedi ist ein fähiger Mann (siehe Abb.3)!

Hank: Warte mal: Schüss.

Niklas: Ja, wir sind doch jetzt nicht fertig, aber wir können morgen noch den Rest machen, ja?

Beide: Schüss.

Hank: Schüss. Ich sag Dir noch das Gedicht auf, von dem ich Dir gestern erzählt hab, die „Meister-Grippe“.

Niklas: Oh, cool. Stimmt du warst ja krank. Lass hören.

Hank:
Die Meister-Grippe

Die Stirn drückt sich in Deine Lider,
Die Luns sich in die kranken Glieder.
Augen, Arme, Füße, Beine:
Alles ist so schwer wie Steine.

Heißes Fieber macht Dich toll,
Warmes Bier lässt Dich ermatten.
Um Dich herum ist alles voll
Bakterien, so groß wie Ratten.

Den Taschentüchern, die Dich rahmen
Gibst Du zur Unterhaltung Namen:
Peter Baum, Sven Dorn, Jörg Buch:
Taschentuch um Taschentuch.

Walter Ganster, Wilhelm Heinz:
Hier ein Tuch und dort noch eins.
Heiner Blum und Manfred Stumpf,
Friedrich Friedl, Wolfgang Lumpf.

Hans-Peter Niebuhr, Burghart Schmidt,
Vera Sponenheimer-Bram.
Die Meister-Grippe nimmt Dich mit,
Die Meister-Grippe legt Dich lahm.

Die Meister-Grippe hält Dich fest,
Die Meister-Grippe packt Dich ein.
Wenn Dich die Grippe nicht auslässt,
muss es die Meister-Grippe sein!

Niklas: Hahaha, das ist gut.

Hank: Mhm.